Schematische Darstellung wichtiger urodynamischer Kurven
Die urodynamische Funktionsuntersuchung ermöglicht die Klassifizierung einer Störung der Harntraktfunktion. Diese Einteilung in eine Speicherstörung, eine Entleerungsstörung oder eine kombinierte Speicher- und Entleerungsstörung bildet die Grundlage für die Erarbeitung eines Therapiekonzeptes.
Kombiniert man eine einfache Zystometrie mit dem Beckenboden-EMG, Röntgen und Ultraschall des Harntraktes, Druckflussmessungen & Nomogrammen sowie neurophysiologischen Tests, so können die Blasensensorik, die Speicherfunktion, die Entleerungsfunktion, der Verschlussapparat, die Willkürkontrolle des Harntraktes sowie seine Morphologie im Detail beurteilt werden. In unserer Urodynamikgallerie werden häufige urodynamische Befunde exemplarisch dargestellt.
Provokationstests vor, während oder nach einer urodynamischen Untersuchung können bestimmte Funktionsstörungen der Harntraktfunktion nachweisen, die sich in einer Routine-Urodynamik nicht zeigen. Schon die Lageveränderung von liegender zu sitzender oder stehender Position kann die Detektionsrate einer überaktiven Detrusorkontraktion von 30 auf 61% verdoppeln. Auch eine Provokation mit schneller Füllung kann den Nachweis eines überaktiven Detrusors erleichtern.
Eiswassertest
Der eindrucksvollste Provokationstest zum Nachweis einer Detrusorhyperaktivität ist der Eiswassertest. Hierbei handelt es sich um eine Zystometrie mit schneller Instillation (100ml/min) von 200ml NaCl mit 4 °C, erstmals beschrieben von Bors und Blinn 1957. Die Reaktion der Blase wird über nicht-myelinisierte C-Fasern vermittelt (Fall et al. 1987). Im Grunde handelt es sich um einen primitiven spinalen Reflex ähnlich dem Babinsky-Reflex (Geirsson et al. 1999), welcher bei der Geburt vorhanden ist, sich normalerweise im Zuge der zentralen Maturation der Blasenkontrolle im Alter von etwa vier Jahren verliert und zum Beispiel nach einer suprasakralen Nervenläsion zurückkehrt. Der Eiswassertest stimuliert eine Detrusorkontraktion in 91-97% der Patienten mit suprasakraler Nervenläsion, aber nur bei 47% der Patienten mit nicht-neurogen überaktiver Blase. Keine Reaktion auf die Eiswasserinstillation zeigen Patienten mit schlaffer Blasenlähmung oder bei intakter zentraler Hemmung der Blase. Der Eiswassertest gilt im Allgemeinen als hochspezifisch für eine Detrusorhyperaktivität, und im Speziellen als hochsensitiv für eine neurogene Detrusorhyperaktivität.
Denervierungstest
Wenn in einer urodynamischen Untersuchung keine Detrusorkontraktion nachweisbar ist, so kann ein Denervierungstest mit einem subkutan applizierten Muskarinagonisten (Carbachol oder Betanechol) angezeigt sein. Bei einer standardisierten Blasenfüllung (überlicherweise 200ml) wird der Detrusordruckanstieg 20min nach Applikation gemessen. Übersteigt der Anstieg 20cm H2O, so gilt der Test als positiv. Eindeutig positiv ist der Test jedoch nur dann, wenn eine komplette Denervierung des Detrusors vorliegt, zum Beispiel bei einer kompletten Läsion der Cauda equina.
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